Jürgen Klauke Bodysounds / Kreuz&Queer
For Gallery Weekend 2022, Galerie Guido W. Baudach is delighted to present its fourth solo exhibition with works by Jürgen Klauke. Klauke is one of the most renowned artists in Germany. In the early 1970s, he co-founded Body Art and co-introduced the concept of photographic Self-Performance to contemporary art. Since then, he has played a decisive role in its development. Under the title Bodysounds / Kreuz&Queer, the show features new photographic works and drawings.
In the photographic works, four large-format C-prints, entirely held in shades of grey, a person dressed in black appears, partly concealed by a kind of mannequin consisting of several nylon tights sewn together and filled with balloons. La Poupée by Hans Bellmer inevitabely comes to mind, except that this creature here is conceived much more abstractly. It only remotely resembles a humanoid being and could have been taken from a film by David Cronenberg. Jürgen Klauke himself is the person who appears behind it, sometimes standing, sometimes sitting on a chair, his face not visible. Klauke consistently places the puppet in the foreground in the sense of an extension of his own body. The scenery is performative and has something of a camera posing or portrait session, in which the dark-robed artist and his bulging playmate merge into one polymorphous figure that seems to be larva-like on the verge of pupation. Those who know Klauke‘s oeuvre will be reminded of Boddies, an early but style-defining photographic sequence from the year 1970, whose protagonist is a rather similar nylon stocking doll stuffed with wood wool, although it makes a thoroughly decisive difference that Klauke remained exclusively behind the camera at the time and did not appear in front of it. In the group of works Bodysounds, Klauke now deliberately goes beyond this with the means of Self-Performance, renegotiating issues in the field of tension between sexual identity and self-determined existence; issues that, when he took them up at the beginning of his artistic career, were still a minority topic, whereas today, five decades later, at least in most Western countries, they are part of the overall societal discourse.
A similar context applies in the exhibited drawings, entitled Kreuz&Queer. In each of them, bodies and body parts of different sexes, real and supposed, combine to form illusionistic strategies of line and surface. Executed in pen and ink, the works are as rich in imagination as in allusion. Tubes, strings and threads connect the figurative nudes and abstract spaces, which overlap each other as freely as they are precisely arranged. The way black and white relate to each other is reminiscent of Yin and Yang. Simultaneously, another icon of Surrealism - Francis Picabia‘s La nuit espangnole - comes to mind, as does Klauke‘s own drawing cycle Ziemlich from 1979-81, which provides another recourse to his own early work. The motifs of Kreuz&Queer are fed from the artist‘s personal pictorial memory, including current impressions from visual media. Among the countless, mostly stylised faces depicted, one occasionally can think of recognising Klauke‘s own outline. As in the photographic works, Klauke seems to appear here not only as author but also as actor. The fortyfour sheets of Kreuz&Queer vary the human body as an object of transformation in an almost indulgent manner. In their often highly complex structure, which virtuously links various individual motifs into an overall picture, Klauke‘s compositions often appear enigmatic, sometimes absurd, sometimes even grotesque. Naratively, they are mulit-layered and far from adhering to linear patterns. The story lines literally criss-cross, as if in a game of confusion. Among the many different body parts that appear in these drawings, hands are the most prominent element, always worked out in detail, as it were emphasising the manual quality of drawing. On the level of abstraction, rectangles and circles are predominant. Geometric and organic forms are just as dynamically related to each other as the figurative personnel, which occurs almost exclusively naked. The atmosphere appears erotically charged. What is depicted, however, are not sexual acts, but metamorphoses of the genders. Everything here is boundlessly diverse and constantly in flux.
Jürgen Klauke (*1943) lives and works in Cologne. His work has been subject of solo exhibitions at museums and other institutions including ZKM, Karlsruhe; Museum Boymans Van Beuningen, Rotterdam; Museum Ludwig, Cologne; Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin; Maison Européenne de la Photographie, Paris; Museum der Moderne, Salzburg; Staatliche Kunsthalle Baden-Baden; Museum of Modern Art, Saitama; Kunsthalle Bielefeld; Bundeskunsthalle, Bonn; The State Russian Museum, St. Petersburg. Klauke has also participated in international exhibitions such as Documenta, Kassel (1977, 1987), Venice Biennial (1980) and important group shows at institutions like Solomon R. Guggenheim Museum, New York; Museum of Modern Art, New York; Centre Pompidou, Paris; Neue Nationalgalerie, Berlin; Museum of Contemporary Art, Los Angeles; and Tate Liverpool, among others. In 2017, his oeuvre of drawings was the subject of a retrospective at the Max Ernst Museum in Bruehl.
Die Galerie Guido W. Baudach freut sich, zum Gallery Weekend 2022 ihre vierte Einzelausstellung mit Werken von Jürgen Klauke zu präsentieren. Klauke zählt zu den renommiertesten Künstlern in Deutschland. In den frühen 1970er Jahren hat er die Body Art mitbegründet und das Konzept der fotografischen Self-Performance in die zeitgenössische Kunst miteingeführt. Seither hat er deren Entwicklung über fünf Jahrzehnte hinweg immer wieder entscheidend mitgepägt. Unter dem Titel Bodysounds / Kreuz&Queer werden neue Fotoarbeiten und Zeichnungen gezeigt.
Auf den Fotoarbeiten, vier großformatigen, komplett in Grautönen gehaltenen C-Prints, ist eine dunkel gekleidete Person zu sehen, teilweise verdeckt von einer Art Gliederpuppe, die aus mehreren mit Luftballons gefüllten und aneinandergenähten Nylonstrumpfhosen besteht. Unweigerlich kommt einem La Poupée von Hans Bellmer in den Sinn, nur dass dieses Geschöpf hier viel abstrakter konzipiert ist und nur mehr sehr entfernt einem humanoiden Wesen gleicht, als wäre es einem Film von David Cronenberg entsprungen. Jürgen Klauke selbst ist die Person, die dahinter mal im Stehen, mal auf einem Stuhl sitzend auftaucht. Sein Gesicht erkennt man nicht. Klauke stellt die Puppe im Sinne einer Erweiterung des eigenen Körpers konsequent in den Vordergrund. Die Szenerie ist performativ und hat etwas von einem Kamera-Posing bzw. einer Porträt-Sitzung, bei der der dunkel gewandete Künstler und seine wulstige Spielgefährtin zu einer einzigen polymorphen Gestalt verschmelzen, die larvenartig kurz vor ihrer Verpuppung zu stehen scheint. Wer Klaukes Qeuvre besser kennt, sieht sich an Boddies, eine ebenso frühe wie stilprägende Fotosequenz aus dem Jahr 1970 erinnert, deren Protagonistin eine recht ähnliche, mit Holzwolle ausgestopfte Nylonstrumpf-Puppe ist, wobei es einen durchaus entscheidenden Unterschied macht, dass Klauke damals ausschließlich hinter der Kamera verblieb und nicht gleichzeitig selbst in Erscheinung trat. In der Werkgruppe Bodysounds geht Klauke nun gezielt darüber hinaus, indem er mittels der Self-Performance Fragen im Spannungsfeld von sexueller Identität und selbstbestimmter Existenz noch einmal völlig neu verhandelt; Fragen, die, als er diese zu Beginn seiner künstlerischen Karriere aufgriff, noch ein Minderheitenthema waren, während sie heute, fünf Dekaden später, zumindest in vielen westlichen Ländern, Teil des gesamtgesellschaftlichen Diskurses sind.
Ein ähnlicher Kontext ist auch bei den ausgestellten Zeichnungen auszumachen. In jedem einzelnen Blatt von Kreuz&Queer verbinden sich verschiedengeschlechtliche Körper und Körperteile, tatsächliche wie vermeintliche, zu illusionistischen Strategien von Linie und Fläche. Die mit Tusche und Feder ausgeführten Arbeiten sind ebenso fantasie- wie anspielungsreich. Schläuche, Schnüre und Fäden verknüpfen figürlichen Akte und abstrakte Räume, die einander sowohl frei als auch präzise angeordnet überlagern. Die Art und Weise, wie Schwarz und Weiß sich zueinander verhalten, lässt an Yin und Yang denken. Gleichzeitig kommt einem auch hier der Gedanke an eine berühmte Ikone des Surrealismus - Francis Picabias La nuit espangnole -, sowie an den 1979-81 entstandenen Zeichnungs-Zyklus Ziemlich von Klauke selbst, womit wiederum ein Rekurs zum eigenen Frühwerk gegeben ist. Aus dem persönlichen Bildgedächtnis des Künstlers speist sich auch die konkrete Motivik von Kreuz&Queer, tagesaktuelle Eindrücke aus visuellen Medien miteingeschlossen. Unter den zahllosen, meist stilisierten Gesichtern, die in den Zeichnungen wiedergegeben sind, kann man ab und an das Konterfei des Künstlers erkennen. Klauke erscheint somit auch hier nicht allein als Autor, sondern auch als Akteur. Nachgerade schwelgerisch variieren die vierundvierzig Blätter den menschlichen Körper als Gegenstand der Verwandlung. In ihrem oft hochkomplexen Aufbau, der verschiedene Einzelmotive zu einem Gesamtbild verknüpft, erscheinen Klaukes virtuose Kompositionen häufig rätselhaft, bisweilen absurd, mitunter auch grotesk. Dabei sind sie narrativ äußerst vielschichtig und zudem weit davon entfernt, lineare Erzählmuster einzuhalten. Die Zusammenhänge verlaufen buchstäblich kreuz und quer, wie in einem Verwirrspiel. Unter den Körperteilen, die in den Zeichnungen auftreten, sind Hände das hervorstechendste Element, stets detailliert ausgearbeitet, gleichsam die manuelle Qualität der Zeichnung betonend. Auf der Ebene der Abstraktion sind Rechtecke und Kreise vorherrschend. Geometrische und organische Formen stehen in einem ähnlich dynamischen Austausch wie das figürliche Personal, welches beinahe ausschließlich nackt auftritt. Die Atmosphäre erscheint erotisch aufgeladen. Dargestellt sind jedoch keine sexuellen Handlungen, sondern Metamorphosen des Geschlechtlichen. Alles hier ist grenzenlos divers und ständig im Fluss.
Jürgen Klauke (*1943) lebt und arbeitet in Köln. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Einzelausstellungen in Museen und anderen Institutionen präsentiert, darunter im ZKM Museum für Neue Kunst, Karlsruhe; Museum Boymans Van Beuningen, Rotterdam; Museum Ludwig, Köln; Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin; Maison Européenne de la Photographie, Paris; Museum der Moderne, Salzburg; Staatliche Kunsthalle Baden-Baden; Museum of Modern Art, Saitama; Kunsthalle Bielefeld; Bundeskunsthalle, Bonn; The State Russian Museum, St. Petersburg. Zudem hat Klauke an internationalen Ausstellungen wie der Documenta, Kassel (1977, 1987) und der Biennale von Venedig (1980) teilgenommen und sich an wichtigen Gruppenausstellungen in u.a. folgenden Institutionen beteiligt: Solomon R. Guggenheim Museum, New York; Museum of Modern Art, New York; Centre Pompidou, Paris; Neue Nationalgalerie, Berlin; Museum of Contemporary Art, Los Angeles; Tate Liverpool. 2017 war Klaukes zeichnerisches Oeuvre Gegenstand einer Retrospektive im Max Ernst Museum in Brühl.